Artensicherung Böhmischer Kranzenzian
Vermehrung, Sicherung und Verbreitung des Böhmischen Kranzenzians als prioritäre Leitart im Naturparkgebiet
Durch einen im Herbst 2021 gestarteten Ansiedelungsversuch soll sich der stark gefährdete Böhmische Kranzenzian im Naturpark Nordwald wieder ausbreiten und zum Blütenreichtum der Magerwiesen beitragen.
Beschreibung der Art
Der Böhmische Kranzenzian ist ein ganz besonderes botanisches Juwel im Naturpark. Im Gegensatz zu ähnlich aussehenden Kranzenzian-Arten der Alpen, kommt diese Art weltweit nur in Tschechien, in Österreich, sowie jeweils in kleinen Gebieten Deutschlands (Bayerischer Wald) und Polens (Mittelsudeten) vor.
Lebensgeschichte
Die Art ist zweijährig, das heißt im ersten Jahr bildet sich eine vegetative Rosette, und im zweiten Jahr kommen die Pflanzen zur Blüte. Nach Blüte und Samenreife sterben die Pflanzen, die von einer bis über 100 violette Blüten tragen, ab. Außer dem auf die Böhmische Masse beschränkten Verbreitungsgebiet ist als weitere Besonderheit der Pflanze eine von den Botanikern als Blühzeitdimorphismus bezeichnete Eigenheit zu nennen: Es existieren Populationen, die im Juni blühen und solche die im September/Oktober blühen. Diese Populationen sind genetisch differenziert, obwohl beide gelegentlich auf einer Fläche vorkommen. Die frühblühenden Sippen sind nur im südlichen Waldviertel (Raum Pöggstall – Jauerling – Spitz) zu finden, die spät blühenden im gesamten Verbreitungsgebiet.
Die Bestäubung übernehmen Insekten. Besonders Hummeln und Schwebfliegen besuchen die Blüten des Böhmischen Kranzenzians.
Situation im Waldviertel
Obwohl dieser Enzian im Waldviertel früher weit verbreitet war, existieren heute nur mehr 30 bekannte Populationen, davon treten in 16 Populationen nur unregelmäßig blühende Individuen auf, fünf sind als klein, fünf als mittelgroß und vier als groß zu bezeichnen. Im Naturpark Nordwald und in der Naturparkgemeinde Bad Großpertholz ist nur noch ein Standort bekannt, auf dem dieser Enzian sporadisch blüht. Hauptgrund für den starken Rückgang ist der Strukturwandel in der Landwirtschaft, der entweder zur Intensivierung (Düngung, viele Schnitte) oder Aufgabe von schwer zu bewirtschaftenden Flächen führt. Mit dem stark bedrohten Extensivgrünland (z. B. Bürstlingsrasen) verschwindet auch der Böhmische Kranzenzian.
Schutzstatus
Der Böhmische Kranzenzian wird in der Roten Liste in der höchsten Gefährdungskategorie „vom Aussterben bedroht“ geführt. Er ist europaweit strengstens geschützt (FFH-Richtlinie Anhang II und IV). Ebenso ist er nach der Artenschutzverordnung in Niederösterreich gänzlich geschützt.
Erhaltung
Für die Erhaltung der Art ist die Sicherung der bekannten Populationen von äußerster Wichtigkeit. Die Flächen dürfen nicht gedüngt und von der Blüte bis zur Samenreife nicht gemäht werden. Die Mahd auf Flächen mit spätblühenden Populationen ist ca. vom 10. August bis Ende Oktober zu vermeiden, frühblühende Sippen sollten erst ab Mitte Juli bewirtschaftet werden. Auch eine Beweidung sollte, wenn möglich, nicht zu diesen sensiblen Perioden erfolgen. Können aufgrund falscher Bewirtschaftung keine Samen produziert werden, erlöschen die Populationen dieser kurzlebigen Art binnen weniger Jahre, obwohl einige Samen bis zu ca. sieben Jahren im Boden überdauern.
Manche Populationen kommen aber auch trotz adäquater Pflege nicht mehr zur Blüte: Grund dürfte die zunehmende Erwärmung und Trockenheit sein, die v. a. bei der Etablierung der Keimlinge und Jungpflanzen schädlich ist. Daher soll ein Ansiedelungsversuch im Naturpark Nordwald Abhilfe schaffen, indem neue Populationen in hoch gelegenen, kühlen Lagen begründet werden.
Ansiedelungsversuch im Naturpark
Im Rahmen des „Artenschutzprojektes Gentianella bohemica II“ im Auftrag der Naturschutzabteilung des Landes Niederösterreich und in Kooperation mit dem Naturpark wurden im November 2021 Ansiedelungsversuche angelegt. Die Naturpark Nordwald-Region wurde ausgewählt, weil hier noch zahlreiche Magerrasen, der Lebensraum des Böhmischen Kranzenzians, vorhanden sind, und weil die Gegend von Bad Großpertholz mit Seehöhen von 700-900 m relativ kühl und feucht ist. Die ausgewählten Flächen sind im Eigentum von Naturpark oder interessierten Privatpersonen, sodass eine langfristige Enzian-konforme Bewirtschaftung gesichert ist. Es wurden zwei Varianten, eine mit größerflächigem (1 m²) Umbruch und eine mit kleinflächiger Bodenverletzung (4 dm²) angelegt. In diese Flächen wurden die winzigen Samen, die aus dem ausgerechten Aufwuchs einer intakten benachbarten Population geerntet wurden, eingebracht und mit Reisig als Verdunstungsschutz abgedeckt. Bei guten Bedingungen keimen die Samen ab April. Wenn die Etablierung der Keimlinge gelingt – was keinesfalls selbstverständlich ist – bilden sich im Herbst 2022 vegetative Rosetten. Die Blüte dieser zweijährigen Art sollte dann im Herbst 2023 stattfinden. Danach sterben die Individuen ab und verstreuen ihre Samen. Es ist geplant im Herbst 2022 weitere Flächen anzulegen, falls der erste Versuch nicht erfolgreich ist, bzw. damit auch in geraden Jahren Enziane im Naturpark blühen und bestaunt werden können.
Mit dieser Maßnahme sollen neue Populationen im Naturpark Nordwald begründet werden, um damit Ausfälle von Populationen, die durch unsachgemäße Bewirtschaftung oder zunehmende Hitze und Trockenheit in niedrigeren Lagen verursacht worden sind, auszugleichen.